Die Unternehmensstrategie bildet seit jeher das Fundament für die Erlangung eines Wettbewerbsvorteils. Im Zuge ihrer Forschungen ermittelten Porter und Heppelmann 10 neue strategische Entscheidungen, mit denen die Unternehmen in der Welt der intelligenten, vernetzten Produkte konfrontiert werden:[1]
- Welche der durch Intelligenz und Konnektivität ermöglichten Fähigkeiten und Funktionen soll ein Unternehmen in seine Produkte integrieren?
- Welcher Teil der Funktionalität soll direkt in das Produkt integriert werden und welcher soll in der Cloud ausgeführt werden?
- Soll die Entwicklung eines offenen oder eines geschlossenen Systems angestrebt werden?
- Soll ein Unternehmen den kompletten Funktionsumfang der intelligenten, vernetzten Produkte und die technologische Infrastruktur eigenständig entwickeln oder eine Zusammenarbeit mit einem Technologielieferanten anstreben?
- Welche Daten müssen zur Steigerung des Wertes des Angebotes erfasst, analysiert und geschützt werden?
- Wie sollten die Eigentums- und Zugriffsrechte auf die Produktdaten geregelt werden?
- Soll ein Unternehmen teilweise oder vollständig auf Intermediäre wie Vertriebs- oder Servicepartner verzichten?
- Soll das bestehende Geschäftsmodell adaptiert werden?
- Sollen neue Geschäftsfelder durch den Verkauf der Produktdaten an Dritte erschlossen werden?
- Soll ein Unternehmen seine Grenzen erweitern?
Die Entscheidungen sind mit Kompromissen verbunden und werden von den Gegebenheiten im Unternehmen beeinflusst. Zwischen ihnen besteht auch eine Abhängigkeit. Die Potenziale der einzelnen getroffenen Entscheidungen müssen sich gegenseitig verstärken und eine unverwechselbare und kohärente strategische Positionierung des Unternehmens festlegen.[2]
Welche der durch Intelligenz und Konnektivität ermöglichten Fähigkeiten und Funktionen soll ein Unternehmen in seine Produkte integrieren?
Es ist zu ermitteln welche Funktionen Ihren Kunden in Relation zu den Kosten einen echten Mehrwert liefern für den diese auch bereit sind zu bezahlen. Der meist hohe Innovationsgrad der intelligenten, vernetzten Produkte erschwert es den Kunden den Mehrwert zu erkennen. Traditionelle Ansätze zur Einschätzung der Zahlungsbereitschaft sind damit oft nur eingeschränkt anwendbar.[3]
Die Auswahl der Funktionen muss an das jeweilige Marktsegment angepasst werden und muss die Wettbewerbsposition des Unternehmens stärken.[2]
Welcher Teil der Funktionalität soll direkt in das Produkt integriert werden und welcher soll in der Cloud ausgeführt werden?
Ressourcen: Einige Funktionen können aufgrund der begrenzten Ressourcen nicht praktikabel direkt in die intelligenten, vernetzten Produkte eingebettet werden und müssen daher in die Cloud ausgelagert werden.[4]
Reaktionszeit: Funktionen, die eine kurze Reaktionszeit erfordern (z.B. eine Sicherheitsabschaltung), sollten direkt in das intelligente, vernetzte Produkt implementiert werden.[2]
Autonomie: Hoch automatisierte intelligente, vernetzte Produkte erfordern in der Regel die Einbettung des größten Teils der Funktionalität direkt in das Produkt.[2]
Netzwerkverfügbarkeit und Sicherheit: Die Einbettung des größten Teils der Funktionalität direkt in das intelligente, vernetzte Produkt gestattet es sowohl die Abhängigkeit von der Netzwerkverfügbarkeit als auch die zur Cloud zu übermittelnde Datenmenge zu reduzieren. Mit der Datenmenge sinkt auch das Risiko einer Kompromittierung von sensiblen oder vertraulichen Daten im Zuge der Übertragung.[2]
Einsatzort: Die Einbettung von Funktionen in die Cloud gestattet die Reduzierung der mit dem Betrieb von intelligenten, vernetzten Produkten an entlegenen oder gefährlichen Orten verbundenen Kosten und Gefahren. Beispielsweise ermöglicht die Verarbeitung der vom Produkt übermittelten Daten zum Stand der Kontamination am Einsatzort des Produktes in der Cloud die sofortige Einleitung von angemessenen Gegenmaßnahmen.[5]
User Interface: Verfügt ein intelligentes, vernetztes Produkt über ein sehr komplexes User Interface oder sind häufige Anpassungen erforderlich, empfiehlt es sich das User Interface in die Cloud (zum Beispiel in Form einer Smartphone-Applikation) auszulagern anstelle das Produkt selbst mit den entsprechenden Anzeige- und Bedienelementen auszustatten.[5]
Häufigkeit der Updates: In die Cloud eingebettete Funktionen und User Interfaces vereinfachen Produktänderungen und Updates.[5]
Soll die Entwicklung eines offenen oder eines geschlossenen Systems angestrebt werden?
Der Ansatz eines geschlossenen Systems gestattet es einem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, indem es die Kontrolle über die Daten, die Technologie sowie die Richtung der Entwicklung der intelligenten, vernetzten Produkte und der Cloud behält, wodurch eine optimale Abstimmung der Elemente des Systems aufeinander erreicht werden kann. Andere Hersteller, die ihre Produkte in das geschlossene System integrieren wollen, erhalten ohne entsprechende Lizenzvereinbarung nur begrenzten Zugriff auf das System. Ein derartiger Ansatz ist mit erheblichen Investitionen verbunden und birgt für Unternehmen, die bereits eine dominante Position in ihrer Branche belegen, die aussichtsreichsten Erfolgschancen. Mit der Vielfalt der entstehenden Technologien vergrößert sich jedoch die entstehende Herausforderung, da die Kunden, der durch einen geschlossenen Ansatz bedingten begrenzten Auswahl, im Laufe der Zeit immer mehr Widerstand entgegensetzen.[6]
Im Gegensatz dazu bieten Unternehmen, die den Ansatz eines offenen Systems verfolgen, im Zuge der Einführung ihres Produkts gewöhnlich APIs (Application Programming Interface) oder Entwicklungsumgebungen an und stellen es jedem anderen Unternehmen frei, entsprechende Applikationen oder Dienste für das Produkt zu erstellen und sich somit an der Entwicklung des Systems zu beteiligen. Durch die Einbeziehung multipler Unternehmen führt ein derartiger Ansatz zu einer schnellen Umsetzungsrate bei der Systeminnovation sowie der Entwicklung von Applikationen. Neben der Vielfalt profitieren die Kunden im Falle eines offenen Systems auch von der Möglichkeit bei der Zusammenstellung ihrer Lösung sowohl bei den intelligenten, vernetzten Produkten als auch der Plattform, die diese miteinander verbindet, aus Angeboten von unterschiedlichen Herstellern zu wählen.[6]
Soll ein Unternehmen den kompletten Funktionsumfang der intelligenten, vernetzten Produkte und die technologische Infrastruktur eigenständig entwickeln oder eine Zusammenarbeit mit einem Technologielieferanten anstreben?
Im Falle der Einbindung von Partnern gilt es, für jedes der extern bezogenen Elemente zu entscheiden, ob eine maßgeschneiderte kundenspezifische Lösung oder die Lizenzierung einer bestehenden Technologie zweckmäßiger ist.[6] Sofern eine kundenspezifische Lösung angestrebt wird, bedeutet dies meist eine umfassende Kooperation mit dem Technologielieferanten während der Entwicklungsphase und dem späteren Betrieb.
Welche Daten müssen zur Steigerung des Wertes des Angebotes erfasst, analysiert und geschützt werden?
Die Erfassung der Daten durch Sensoren, sowie deren Übertragung, Speicherung, Analyse und der Schutz vor unberechtigtem Zugriff erhöhen die Kosten. Die Unternehmen müssen daher abwägen welche Daten, in Relation zu den entstehenden Aufwendungen für ihre Erfassung, die Funktionalität des Produktes, die Effizienz in der Wertschöpfungskette oder das Verständnis des breiteren Ecosystems (intelligente, vernetzte Produkte, Plattform, Online-Dienste, usw.) im gewünschten Maß erhöhen und somit den Wert des Angebots steigern.[7]
Wie sollten die Eigentums- und Zugriffsrechte auf die Produktdaten geregelt werden?
Im Falle des Product-as-a-Service Modells beispielsweise befindet sich zwar das intelligente, vernetzte Produkt im Besitzt des Herstellers, für die im Zuge der Anwendung durch den Nutzer erzeugten Produktdaten mag dies jedoch nicht gelten.[7]
Pentland[8] verfolgt diesbezüglich einen klaren Ansatz und erachtet Daten als ein Gut, welches Eigentum des Erzeugers ist, über das dieser frei verfügen kann und es somit nach eigenem Ermessen behalten, spenden, verkaufen oder gegen eine andere Gegenleistung eintauschen kann.
Soll ein Unternehmen teilweise oder vollständig auf Intermediäre wie Vertriebs- oder Servicepartner verzichten?
Die Entscheidung auf Intermediäre zu verzichten, ist maßgeblich von der Struktur des Partnernetzwerkes beeinflusst. Wesentlich ist dabei, ob die Partner simple Verkaufskanäle darstellen oder wichtige Serviceleistungen und Aufgaben im Bereich Kundenschulung übernehmen und welcher Anteil der Partneraktivitäten durch die Fähigkeiten der intelligenten, vernetzten Produkte ersetzt werden kann. Zudem muss bei den Kunden Verständnis dafür geschaffen werden, dass die klassischen Kanäle nicht länger erforderlich sind und ihnen zusätzliche Kosten bereiten würden.[7]
Soll das bestehende Geschäftsmodell adaptiert werden?
Die von intelligenten, vernetzten Produkten bereitgestellten Daten bezüglich ihrer Nutzung durch die Kunden gestatten den Unternehmen die Entwicklung völlig neuer Geschäftsmodelle.
Sollen neue Geschäftsfelder durch den Verkauf der Produktdaten an Dritte erschlossen werden?
Die von intelligenten, vernetzten Produkten gesammelten Informationen können einen Wert für Kunden abseits der etablierten Geschäftsfelder besitzen. Diesem Gedanken folgend eröffnen sich Möglichkeiten für die Entwicklung völlig neuer Services, bei denen anstelle des intelligenten, vernetzten Produkts oder den damit verbundenen Dienstleistungen die zur Verfügung stehenden Daten den primären Wert darstellen.[9]
Soll ein Unternehmen seine Grenzen erweitern?
Verrichteten Produkte bisher ihre Dienste isoliert, werden sie nun zu Bestandteilen von optimierten Systemen, bestehend aus verwandten Produkten oder zu Komponenten eines „System of Systems“.[7] Der Begriff „System of Systems“ beschreibt den Zusammenschluss und die Bündelung der Fähigkeiten und Ressourcen von den bereits zuvor genannten Ecosystemen zu einem noch komplexeren System mit dem Ziel eine höhere Funktionalität als die reine Summe der einzelnen Systeme zur erreichen.[10]
Für die Unternehmen ergeben sich daraus zumindest zwei strategische Entscheidungen. Die erste befasst sich mit der Frage, ob das Unternehmen seine Geschäftsfelder in Richtung verwandter Produkte oder anderer Teile des „System of Systems“ ausweiten soll. Thema der zweiten Entscheidung ist, ob Bemühungen zur Schaffung einer Plattform für die Verknüpfung von verwandten Produkten und deren Informationen unternommen werden sollen auch wenn das Unternehmen nicht alle involvierten Komponenten selbst herstellt oder die Kontrolle darüber besitzt.[7]
Die intelligenten, vernetzten Produkte verschieben letztlich die Branchengrenzen und Wettbewerbsfelder. Dieser Umstand und die steigende Anzahl und Vielfalt der Netzwerke innerhalb derer die intelligenten, vernetzten Produkte interagieren, zwingen die Unternehmen schließlich zum Überdenken ihrer Mission und ihrer Wertversprechen.[7]
Literaturverzeichnis
- ↑ Porter, M. E., & Heppelmann, J. E. (2014, November). How Smart, Connected Products Are Transforming Competition. Harvard Business Review, S. 78–88.
- ↑ Porter, M. E., & Heppelmann, J. E. (2014, November). How Smart, Connected Products Are Transforming Competition. Harvard Business Review, S. 78
- ↑ Dawid, H., Decker, R., Hermann, T., Jahnke, H., Klat, W., König, R., & Stummer, C. (2016). Management science in the era of smart consumer products: challenges and research perspectives. Central European Journal of Operations Research, S. 2
- ↑ Dawid, H., Decker, R., Hermann, T., Jahnke, H., Klat, W., König, R., & Stummer, C. (2016). Management science in the era of smart consumer products: challenges and research perspectives. Central European Journal of Operations Research, S. 5
- ↑ Porter, M. E., & Heppelmann, J. E. (2014, November). How Smart, Connected Products Are Transforming Competition. Harvard Business Review, S. 79
- ↑ Porter, M. E., & Heppelmann, J. E. (2014, November). How Smart, Connected Products Are Transforming Competition. Harvard Business Review, S. 79-80
- ↑ Porter, M. E., & Heppelmann, J. E. (2014, November). How Smart, Connected Products Are Transforming Competition. Harvard Business Review, S. 71-88
- ↑ Pentland, A. (2009). Reality mining of mobile communications: Toward a new deal on data. The Global Information Technology Report 2008–2009, S. 79
- ↑ Fleisch, E., Weinberger, M., & Wortmann, F. (2014). Geschäftsmodelle im Internet der Dinge. HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 51(6), S. 822
- ↑ Maier, M. W. (1998). Architecting principles for systems-of-systems. Systems Engineering, 1(4), S. 272
Serie: Mit intelligenten, vernetzten Produkten in eine neu Business-Ära
Teil 1: Einführung
Teil 2: Die Bedeutung der Geschäftsmodell-Innovation
Teil 3: Grundsteinlegung durch strategische Entscheidungen
Teil 4: Die gültige Branchenlogik durchbrechen
Teil 5: 5 Wertschöpfungsstufen einer IoT-Applikation
Teil 6: Transformation der Wertschöpfungskette
Teil 7: Die Wertgenerierung von Dingen im Internet der Dinge
Teil 8: Grundlegender Aufbau von intelligenten, vernetzten Produkten
Teil 9: Anforderungen an die technologische Infrastruktur im Internet der Dinge
Teil 10: Mehrwert schaffen durch die Weiterentwicklung zu intelligenten Produkten